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Duftwahrnehmung bei Drosophila
Diese Abituraufgabe von 2021 umfasst die Gebiete der Neurobiologie, der Ökologie und der Evolutionsbiologie.
Material A / Teilaufgabe 1
In dieser Aufgabe geht es um die Duftwahrnehmung bei der Taufliege Drosophila melanogaster. Der Weg vom Duftstoff-Molekül bis zum Rezeptorpotenzial wird in drei Bildern und im Text erläutert.
Mit Begriffen wie "Signaltransduktion" und "Rezeptorpotenzial" sollte man sich schon gut auskennen. Speziell geht es hier um die Duftwahrnehmung, dabei steht der Transduktionsprozess im Vordergrund, der in der ersten Teilaufgabe durch ein Fließschema dargestellt werden soll.
Anmerkung: Der in der Aufgabe beschriebene Transduktionsprozess ist wesentlich einfacher als der komplexe Vorgang in den Zellen der Säugetier-Riechschleimhaut. Bei dem Insekt dockt der Duftstoff einfach an den Duftstoffrezeptor an, und dieser ist gleichzeitig ein Kanalprotein, das für Calcium-, Kalium- und Natrium-Ionen durchlässig ist. Also kein Umweg über ein G-Protein und eine Adenylatcyclase wie beim Duftprozess der Säugetier-Nase.
Material B / Teilaufgabe 2
Das Material B zeigt neurophysiologische Untersuchungen. Isolierte Sinneshärchen von Drosophila wurden dem Duftstoff Limonen ausgesetzt, der zum Beispiel im Duft von Orangen vorkommt. Die AP-Frequenzen verschiedener olfaktorischer Neurone wurden dann abgeleitet und aufgezeichnet. In einer der Abbildungen kann man sehen, dass nur zwei dieser Neurone stark auf den Duftstoff reagieren, ein weiteres Neuron reagiert sehr schwach, und die anderen sieben untersuchten Nervenzellen zeigen so gut wie keine Aktionspotenziale.
In der Aufgabe 2 soll der Weg vom Rezeptorpotenzial zum Aktionspotenzial erklärt werden, außerdem sollen die Versuchsergebnisse erklärt werden.
Material C / Teilaufgabe 3
In dieser Aufgabe geht es in die Ökologie bzw. Evolutionsbiologie. Die Schlupfwespe Leptopilina boulardi legt ihre Eier in die Drosophila-Larven.
In einem Versuch wurden nun Weibchen der Schlupfwespe in einen Y-förmigen Behälter gesetzt. In dem einen Zweig befand sich der Orangen-Duftstoff Valencen, in dem anderen Gang befand sich kein Duftstoff. Von den 25 Weibchen wählten 19 den Zweig ohne Duftstoff und 6 den Zweig mit Valencen. Dieser Duftstoff kommt in Orangen vor.
In einem zweiten Versuch wurden Schlupfwespen-Weibchen vor die Wahl zwischen Orangen- und Pflaumenduft gestellt. Alle 20 Weibchen wählten den Zweig mit dem Pflaumenduft.
Nun wurde ein dritter Versuch durchgeführt, diesmal mit Drosophila-Eiern. 100 Eier wurden auf einen Valencen-haltigen Nährboden aufgebracht, und 100 Eier auf einen Duftstoff freien Nährboden. Dann wurden jeweils zehn Schlupfwespen-Weibchen dazugegeben. Nach 48 Stunden zählte man aus, wie viele Taufliegen geschlüpft waren. Auf dem Boden mit dem Duftstoff schlüpften ca. 24 Tiere, auf dem Boden ohne Duftstoff wesentlich mehr, über 60 Tiere.
In der dritten Teilaufgabe sollten nun all diese Versuche beschrieben und ausgewertet werden. Der Begriff der reproduktiven Fitness sollte definiert werden, und die Bedeutung eines bestimmten olfaktorischen Neurons für diese Fitness sollte erläutert werden.
Wie kann man nun diese Ergebnisse erklären? Wie der Versuch 2 gezeigt hat, meiden die Schlupfwespen-Weibchen Orangenduft, sie ziehen Pflaumenduft vor. Ist es da ein Wunder, wenn auf einem Nährboden, der nach Orangen riecht, mehr Taufliegen schlüpfen als auf einem Nährboden, der geruchsneutral ist? Hätte man den Versuch 3 mit einem nach Pflaumen riechenden Nährboden durchgeführt, wäre die Überlebensrate der Taufliegen wahrscheinlich noch kleiner gewesen.
Im Laufe der Evolution haben die Taufliegen "gemerkt", dass sie auf Orangen sicherer sind als auf Pflaumen und ein entsprechendes Verhalten entwickelt. Unterstützt wird dieses Verhalten durch die Geruchssinneszellen, die auf Orangenduft besonders empfindlich reagieren. Das Erkennen von Orangenduft und die Eiablage auf Orangen stellt also einen deutlichen Selektionsvorteil für die Taufliegen dar, durch den die reproduktive Fitness merklich gesteigert wird.
Material D / Teilaufgabe 4
In dem Material D wird ein phylogenetischer Stammbaum von Drosophila-Arten präsentiert, außerdem kann man dem Stammbaum die Information entnehmen, auf welchen Früchten die Weibchen ihre Eier bevorzugt ablegen. Schließlich kann man dem Stammbaum auch entnehmen, in welchen Gegenden der Erde diese Tiere jeweils leben.
In der vierten Teilaufgabe soll dieser Stammbaum analysiert werden, dabei steht die geographische Herkunft der Arten im Vordergrund. Es soll dann eine Hypothese entwickelt werden, wie es im Laufe der Evolution zu der artspezifischen Limonen-Wahrnehmung bei den in Afrika lebenden Drosophila-Arten gekommen sein könnte.